Antrag: Abhängigkeit von fossilen Energieimporten beenden: Jetzt den Turbo einlegen für Energiewende und Energiesparen

Der Landtag wolle beschließen:

Entschließung

Der russische Angriff auf die Ukraine stellt bisher geltende Gewissheiten der internationalen Politik und Energiesicherheit in Frage. Bundeskanzler Scholz sprach von einer „Zeitenwende“. Der brutale Krieg und die Diskussion um wirksame Sanktionen legen deutlich offen, wie abhängig die Bundesrepublik von fossilen Energieimporten aus Russland ist.

Um Putins Krieg nicht länger zu finanzieren, wollen wir Niedersachsen schnellstmöglich in die Lage versetzen, auf russische Energielieferungen verzichten zu können. Eine sichere und bezahlbare Energieversorgung ist Voraussetzung für Wirtschaft, Wohlstand und soziale Gerechtigkeit. Um die Erpressbarkeit durch Energielieferungen aus Russland aufzuheben, arbeitet die Bundesregierung unter Hochdruck an einer Diversifizierung der Energieimporte, einer verstärkten europäischen Zusammen-arbeit und einer Entfesselung der Energiewende. Denn wirklich unabhängig werden wir nur mit dem Turbo für Erneuerbare und Energieeffizienz. Jetzt ist der Zeitpunkt für eine klare Richtungsentscheidung für „Freiheitsenergien“ und Klimaschutz. Dazu muss auch das Land seinen Beitrag leisten.

Der Landtag begrüßt:

  • Das Maßnahmenpaket der Bundesregierung zur Entlastung von Bürger*innen und Unter-nehmen angesichts der hohen Energiepreise.
  • Die Pläne der Bundesregierung für ambitioniertere Gebäude-Effizienzstandards, die überfällige Neuausrichtung der Gebäudeförderung sowie für einen beschleunigten Ausbau der Erneuerbaren Energien.

Der Landtag stellt fest:

  • Eine Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke leistet keinen Beitrag zur Sicherung der Energieversorgung.

Der Landtag fordert die Landesregierung auf:

1.      Jetzt eine energetische Sanierungswelle zu starten und mehr Erneuerbare Wärme in die Heizungskeller zu bringen.

  • Ein Klimaschutzsofortprogramm für Energieeinsparung und den Austausch von Öl- und Gasheizungen gegen Erneuerbare Wärme wie Wärmepumpen auflegen, entsprechende Investitionsanreize geben und dabei auch gezielte Angebote für einkommensschwache Haushalte machen,
  • Zur Auflösung des Finanzierungsdilemmas zwischen Mieter*innen und Vermieter*innen mit einem Förderprogramm beitragen, durch das Vermieter*innen warm-mietenneutral Öl- und Gasheizungen mit Erneuerbarer Wärme ersetzen und energetische Sanierungen durchführen können und so Mieter*innen vor Preissteigerungen durch fossile Energien unabhängig werden,
  • Mit einem Erneuerbare-Wärme-Gesetz den Einbau rein fossil betriebener Heizungsanlagen ab sofort stoppen und einen steigenden Erneuerbare-Wärme-Anteil von mindestens 65% Prozent landesrechtlich verankern,
  • Das Pilotprojekt der Klimaschutz- und Energieagentur Niedersachsen „Eignungs-Check Wärmepumpe“ für Bestandsgebäude landesweit ausrollen, um Hausbesitzer*innen fachlich und unabhängig beim Heizungstausch zu unterstützen,
  • Das Klimagesetz nachschärfen, eine kommunale Wärmeplanung flächendeckend verbindlich machen, Nah- und Fernwärmenetze fördern und Abwärmepotenziale erschließen.

2.      Endlich die Hürden für den Ausbau der Erneuerbaren Energien abzubauen:

  • Die Landes-Taskforce „Sichere Energieversorgung“ primär auf Erneuerbare und Effizienz ausrichten,
  • 2,5 Prozent der Landesfläche nach einheitlichen Kriterien über das Landesraumordnungsprogramm als Mindestflächen bzw. Vorranggebiete für die Windenergie ausweisen. Die Landkreise können zusätzliche Flächen für die Windenergie aus-weisen,
  • Den Ausbau von Offshore-Windenergie gemäß dem Windenergie-Auf-See-Gesetz von 15 GW bis 2030 verdoppeln und den Bau und die Netzanbindung der Offshore-Energie vor Niedersachsens Küste beschleunigen,
  • Naturverträglichen Projekte der Erneuerbaren Energieversorgung einen vorgezogenen Maßnahmenbeginn ermöglichen und über einen Planungssicherungsfonds gegen Risiken absichern.

3.      Eine Solar-Offensive für Niedersachsen zu starten und das niedersächsische Solarpotential zu aktivieren:

  • Solarpflicht für alle neuen Gebäude und bei Dachsanierungen bereits ab dem Jahr 2023 einführen,
  • Ein landesweites Solarkataster online zur Verfügung stellen, damit Eigentümer*innen, Unternehmen und Energiegenossenschaften das Solarpotential von Dachflächen einfach und transparent erkennen können,
  • Veraltete Abstandsregelungen für PV-Anlagen überarbeiten und die denkmalschutz-rechtlichen Kriterien im Sinne einer unbürokratischen Dachflächennutzung für die Energiegewinnung anpassen

4.      Den Turbo bei der Planbeschleunigung einzulegen:

  • Planungs- und Genehmigungsverfahren für Energiewende-Projekte beschleunigen und die zuständigen Behörden mit ausreichend Personal ausstatten,
  • Zusätzliche Kapazitäten bei den Ämtern für Regionale Landesentwicklung schaffen und eine Task Force „Turbo Energiewende“ zur Bündelung und Straffung von Planungsverfahren schaffen

5.      Gemeinsam mit dem niedersächsischen Handwerk, den Kammern und Innungen eine Fachkräfte-Initiative für Klimaberufe starten, um Aus- und Fortbildungsmöglichkeiten zu stärken und für Berufe im Bereich Erneuerbare Energien und Gebäudetechnik zu werben.

6.      Eine breit angelegte Energiespar-Kampagne aufzulegen und unter dem Motto „Clever Energiesparen – Jede Kilowattstunde zählt“ für einfache und sofort umsetzbare Maßnahmen zu werben, die Strom, Öl, Gas und Treibstoff einsparen. Digitale Heizkosten- und Strom-sparchecks bringen praktische Tipps, die die Haushaltskasse und das Klima entlasten.

7.      Als Land mit gutem Beispiel voranzugehen:

  • Alle Landesgebäude einem Energiespar-Check unterziehen und nach einem festen Finanz- und Zeit-Fahrplan klimaneutral sanieren, beginnend bei den energiehungrigsten Liegenschaften. Dabei können Effizienzpotentiale bspw. durch Heizungsoptimierung und die Senkung der allgemeinen Raumtemperatur genutzt werden,
  • Die Nutzung aller Landesdächer als Solarkraftwerke beschleunigen und bis spätestens 2035 abschließen. Dafür braucht es eine ausreichende Personalausstattung des landeseigenen Gebäudemanagements,
  • Den Austausch alter Öl- und Gasheizungen in Landesgebäuden kurzfristig voran-bringen und die Machbarkeit des Einsatzes von Wärmepumpen, Solarthermie und Geothermie demonstrieren,
  • Als sichtbares Statement gegen den Krieg die nächtliche Illumination öffentlicher Gebäude aussetzen.

8.      Einkommensschwache Haushalte angesichts der gestiegenen Energiekosten gezielt zu unterstützen:

  • Gemeinsam mit Sozialverbänden, Verbraucherzentralen und der Klimaschutz- und Energieagentur Niedersachsen kostenlose Energiespar-Beratungen flächendeckend anbieten,
  • Strom- oder Gassperren durch Angebote der Energieschuldenberatung rechtzeitig entgegenwirken,
  • Mit einer Landesgesellschaft für Wohnen und Klima schnell klimaneutralen Wohn-raum durch Aufkauf und Sanierung ungenutzter Liegenschaften schaffen und den Anteil der Sozialwohnungen erhöhen,

Sich im Bund dafür einsetzen,

  • die beiden bisherigen Entlastungspakete zu überprüfen und bei der Weiterentwicklung den Schwerpunkt vor allem auf ihre Wirksamkeit bei der Unterstützung einkommensschwächerer Haushalte zu legen,
  • eine kurzfristige Anpassung der Regelsätze in der Grundsicherung zu unterstützen.

9.      Industrie und Gewerbe zu unterstützen, ihren Energiebedarf zu senken und auf Erneuerbare Energien umzusteigen:

  • Kleine und mittlere Unternehmen mit Energiespargutscheinen bei Investitionen in Energieeffizienz und Erneuerbare unterstützen,
  • Unternehmen mit gezielter Förderung unterstützen, ihre Abwärme zu nutzen und ihren Energieverbrauch mittels Lastmanagement zu flexibilisieren,
  • Alle Unternehmen, die Landesfördermittel erhalten, auf faire, einheitlich geregelte Gegenleistungen verpflichten wie bspw. Energieaudits oder die Umsetzung von Energieeffizienz und Erneuerbaren-Maßnahmen,
  • Die Klimaschutz- und Energieagentur Niedersachsen gemeinsam mit der Wirtschaft ausbauen und verstärken insbesondere im Hinblick auf die Nutzung verschiedener Förderprogramme von EU-, Bundes- und Landesebene. 

10.    Im Mobilitätsbereich Einsparmöglichkeiten zu realisieren und

  • Sich im Bundesrat für ein temporäres Tempolimit (30/80/100) einzusetzen, um den Spritverbrauch auf der Straße mit sofortiger Wirkung zu verringern,
  • Den Öffentlichen Nahverkehr auch über das „9 für 90-Ticket“ hinaus zu fördern und Menschen beim Umstieg auf Bus und Bahn zu unterstützen. Maßnahmen hierfür sind u.a. ein Zukunftsplan für den Öffentlichen Nahverkehr, der Einstieg in eine Niedersächsische Mobilitätsgarantie sowie ein landesweit geltendes 365-Euro-Ticket für Auszubildende, junge Menschen in den freiwilligen Diensten sowie Schüler*innen. 
  • Den vom Land geförderten Öffentlichen Nahverkehr und den Fuhrpark des Landes schnell auf klimaneutrale Fahrzeuge umzustellen,
  • Die emissionsfreie Mobilität per Fahrrad und zu Fuß durch Ausbau von Radschnellwegen und autofreien Innenstädten voranzutreiben,
  • Die Umstellung von VW in Richtung klimaneutrale Mobilität weiter voranzutreiben,
  • Ein eigenes E-Ladesäulenprogramm aufzulegen und die Elektromobilität wirksam zu unterstützen.

Begründung

Vor Kriegsbeginn kamen 35 Prozent der deutschen Ölimporte, 55 Prozent der Gasimporte und 50 Prozent der Kohleimporte aus Russland. Entleerte Gasspeicher und die Unsicherheit über die zukünftige Versorgung treiben die Energiepreise in die Höhe.

Atomkraftwerke können über das Jahresende 2022 hinaus keinen verlässlichen Beitrag zur Stromer-zeugung leisten. Weder neue Brennstäbe noch das erforderliche Fachpersonal stehen kurzfristig zur Verfügung. Ein Weiterbetrieb des AKW Emsland ist zudem aus Gründen der Sicherheit und des Bevölkerungsschutzes inakzeptabel. Je älter die Atomkraftwerke, desto höher das Störfallrisiko. Aufwändige und kostenintensive Sicherheitsüberprüfungen und Nachrüstungen wurden in den vergangenen Jahren mit Blick auf das vereinbarte Laufzeitende ausgesetzt. Im AKW Emsland sind seit 2019 Risse in den Dampferzeugern bekannt, die bislang trotz scharfer Kritik von Initiativen und Umweltverbänden nicht vollständig untersucht wurden.

Die Klimaschutz- und Energieagentur bietet einen ‚Eignungs-Check Wärmepumpe' als niedrigschwelliges Beratungsangebot für Hauseigentümer*innen. Die Beratung klärt, ob ein Gebäude für den Ein-satz der effizienten Technik geeignet ist und welche Maßnahmen dazu getroffen werden können. Die Beratung wurde seit 2020 in einzelnen Landkreisen als Pilotprojekt angeboten und wurde stark nach-gefragt. Mittel für ein landesweites Beratungsangebot fehlen bislang.

Das Land Niedersachsen muss die zuletzt vorgelegte Novelle für das Klimaschutzgesetz schleunigst überarbeiten und das dortige Klimaschutzpotential durch schnell und mittelfristig wirksame Maßnahmen wie eine generelle Solarpflicht ab 2023 oder eine verpflichtende kommunale Wärmeplanung nicht nur für Ober- und Mittelzentren nutzen.

Veraltete Abstandsregelungen für Dachflächen-PV und denkmalschutzrechtliche Hürden bremsen die Energiewende. Hier sind rasche Änderungen erforderlich, um motivierte Bürger*innen beim Umstieg auf Solarstrom auf dem eigenen Hausdach zu unterstützen.

Für den nötigen zügigen Ausbau der Windenergie dauern die Planungs- und Genehmigungsverfahren deutlich zu lange und müssen beschleunigt werden. Außerdem fehlt es an ausgewiesenen Flächen für die Windenergie. Nötig sind mindestens 2,5 % der Landesfläche, aktuell als Vorranggebiete durch die Kommunen ausgewiesen sind trotz langer Planungsverfahren bloß 1,1 %.

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