Marie Kollenrott: Rede zu Extremisten im öffentlichen Dienst

TOP 4a: Kein Platz für Extremisten im öffentlichen Dienst – für eine Regelabfrage bei Einstellungen in den Justizdienst (Akt. Stunde CDU)

- Es gilt das gesprochene Wort - 

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren,

der Vorstoß der CDU zur aktuellen Stunde heute ist wirklich ein Paradebeispiel konservativer Innenpolitik. Und seien Sie versichert, das meine ich nicht positiv!

Herr Minister Althusmann, Sie haben in der Presse den viel diskutieren Fall des rechtsextremen AfD-Politikers und Richters Jens Maier aus Sachsen zur Begründung Ihres Vorschlags angeführt. Obgleich es doch offensichtlich ist, dass in dem konkreten Fall der Rückkehr eines Richters in den Staatsdienst die Regelabfrage unserer Demokratie gar nichts nützt. Stattdessen gibt es bereits heute andere Möglichkeiten, verfassungsfeindlichen Personen im Justizdienst beizukommen. Das zeigt die rechtswissenschaftliche Debatte zum Fall, die auf das Dienst- und Disziplinarrecht setzt und das zeigt auch der Umgang der grünen Justizministerin in Sachsen mit der Causa. Da bin ich doch meinerseits mal dankbar, dass im sächsischen Justizministerium eine Grüne sitzt und niemand von der CDU!

Aber zurück zur Sache: Ich sehe letztlich zwei mögliche Erklärungen, warum Sie jetzt dennoch mit diesem Vorstoß aufwarten. Entweder, Sie sind übrigens auch gegen die ausdrücklichen Empfehlungen von Richterverbänden bspw. in Hessen, Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg! nach der Debatte um Herrn Maier in blinden Aktionismus verfallen – dann kann ich nur sagen: gut gedacht, aber nicht so gut gemacht – oder, sie nutzen die Gunst der Stunde, um eine alte Forderung aufzuwärmen, die mit dem konkreten Fall Maier nur wenig zu tun hat.

Und tatsächlich – Sie präsentieren uns hier alten Wein in neuen Schläuchen. Der Vorschlag einer Regelabfrage für den Justizbereich lässt doch Erinnerungen an den Radikalenerlass aufkommen, der sich auch damals vorgeblich gegen Rechts- und Linksextremismus gleichermaßen richten sollte, letztlich aber vor allem ein Instrument der Repression gegen Linke war. Nicht ohne Grund hat sich dieser Landtag erst 2016 klar vom Radikalenerlass, der auch eine Regelabfrage beinhaltete, distanziert und eine Aufarbeitung der Folgen dieser Politik angestoßen. Ich frage Sie also: Verfallen Sie hier in alte Muster, statt aus den Fehlern der Vergangenheit zu lernen?

Ich möchte aber auch ganz klar sagen – die ganz, ganz große Mehrheit der Richter:innen und Staatsanwält:innen setzt sich jeden Tag mit viel Engagement für unsere Demokratie ein. Dafür möchte ich mich herzlich bedanken. Und natürlich gibt es immer wieder auch in der Justiz Probleme mit Rechtsextremist:innen und Demokratiefeind:innen. So wie auch in vielen anderen Bereichen der Gesellschaft.

Ihr Vorschlag bringt uns hier aber nicht weiter. Stattdessen sollten wir uns auf die bestehenden rechtsstaatlichen Mittel konzentrieren und diese klug und bedacht gegen Feind:innen der Demokratie nutzen.

Im Übrigen stellt sich die Frage, ob eine Regelanfrage beim Verfassungsschutz das geeignetste Mittel zur Abwehr von Rechtsextremist:innen und Demokratiefeind:innen ist.

Nicht alle Verfassungsfeinde agieren offen und sind den Sicherheitsbehörden bekannt. Demokratiefeindlichkeit lässt sich nicht – wie manch einer es gerne hätte – schön schematisch in Extremismen aufteilen und externalisieren mit einer unbescholtenen Mitte.

Nein, die Extremismus-Formel und die Hufeisentheorie, sie haben ausgedient!

Das beweisen uns nicht zuletzt die sogenannten Corona-Proteste, die ein Sammelbecken für Demokratiefeindlichkeit und Antisemitismus sind und Menschen gerade auch aus der sogenannten Mitte der Gesellschaft anziehen. Hier brauchen wir insgesamt eine bessere Sensibilisierung und Schulung unseres Personals bei der Polizei und in der Justiz. Denn es ist ein Problem, wenn unsere Sicherheitsbehörden Rassismus, Antisemitismus und Demokratiefeindlichkeit nicht im hinreichenden Maße erkennen und dagegen vorgehen. Erinnert sei hier an den Fall des antisemitischen Plakats der rechtsextremen Kleinstpartei „Die Rechte“ in Hannover letztes Jahr. (Israel ist unser Unglück)

Und allzu oft – das muss auch gesagt werden – beschäftigen sich die Sicherheitsbehörden leider mit den Falschen - nämlich mit Menschen, die sich mit großer Ausdauer für und nicht gegen die Demokratie engagieren. Als Abgeordnete aus Göttingen kann ich ein Lied davon singen, wie zivilgesellschaftlich und politisch engagierte Menschen ohne stichhaltigen Grund wegen ihrer vermeintlich „radikal“ linken Gesinnung überwacht wurden. Und auch die erst jüngst bekannt gewordene Überwachung von Politiker:innen der Linkspartei zeigt, dass die Sorge vor einem „Radikalenerlass 2.0“ nicht ganz unbegründet ist.

Fragt man Richterinnen und Richter, hört man, dass es ihrer Meinung nach sinnvoll wäre das Augenmerk zukünftig noch mehr auf die Ausbildung von Jurist*innen und vor allem auf das Referendariat zu werfen. Alle angehenden Richter*innen und StaatsanwältInnen durchlaufen ein 2 jähriges Referendariat. Allein in den Pflichtstationen beim Gericht, bei der Staatsanwaltschaft und in der Verwaltung kann ihrer Meinung nach bereits zu Beginn des Referendariats durch Stärkung und Aufwertung der Ausbildung und stärkerer Entlastung auch der Ausbilder*innen und AG-Leiter*innen dafür gesorgt werden, dass verfassungsfeindliche Tendenzen von Referendar*innen frühzeitig erkannt werden.

Also frage ich nun Sie: Wollen sie solche Vorschläge aus der Justiz zugunsten einer nicht zielführenden Initiative ignorieren?

Bevor ich nun zum Schluss komme, möchte ich noch einen letzten Punkt anbringen:

Die Regelabfrage stellt einen Eingriff in die Gewaltenteilung und die Unabhängigkeit der Justiz dar, wenn der Exekutive erlaubt wird, eine Gesinnungskontrolle bei der Judikative durchzuführen. Es wundert mich doch, Frau Ministerin Havliza, dass Sie hier anscheinend keinen Einspruch erheben, sich nicht wehren, hier keinerlei Bedenken in Bezug auf die Unabhängigkeit der Justiz haben, nachdem Sie sich noch bei der Befragung im Rechtsausschuss zu der rechtswidrigen Durchsuchung im BMJV in der vergangenen Woche dafür so stark gemacht haben. Sie haben nämlich völlig recht, die Unabhängigkeit der Justiz ist ein hohes Gut, das es zu schützen gilt. Also bitte, besinnen Sie sich auf Besseres und lassen Sie den blinden Aktionismus sein liebe Kolleg*innen von der CDU!

Dann können wir zu tatsächliche Lösungen im Sinne der Demokratie kommen.

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