Antrag: Potenzial von Speichern und Sektorenkopplung bei der Energiewende ausschöpfen

Fraktion der SPD
Fraktion Bündnis 90 Die Grünen

Der Landtag wolle beschließen:

Entschließung

Niedersachsen hat eine zentrale Schlüsselrolle für das Gelingen der Energiewende: als Standort der erneuerbaren Energien, als Standort für Netzanbindungen von Offshore-Windparks und Interkonnektoren, der Sektorenkopplung und im Zusammenhang mit dem Übertragungsnetzausbau als dem Haupttransitland für Strom aus erneuerbarer Energie in die weiter südlich gelegenen Nachfragezentren. 

Für die Gewährleistung der Versorgungssicherheit und für die Transformation der mittelständischen und der Groß-Industrie wird zudem der schnelle Aufbau einer grünen Wasserstoffwirtschaft benötigt. Dafür sollen bundesweit bis 2030 Elektrolyseure mit einer Leistung von zehn Gigawatt errichtet und rund neuntausend Kilometer Wasserstoff-Transportinfrastruktur im Rahmen des Wasserstoffkernnetzes realisiert werden. Darüber hinaus werden bedeutende Langfristspeicherkapazitäten in Untergrundspeichern geschaffen.

Die parallellaufenden Entwicklungen auch bezüglich der Dekarbonisierung der Wärmeversorgung stellen uns hinsichtlich der notwendigen Sektorenkopplung, des Kapazitätsausbaus und Realisierung von Anschlussmöglichkeiten vor komplexe Herausforderungen.

Es ist erforderlich alle nachhaltigen Effizienzpotenziale zu heben. Diese ergeben sich insbesondere aus einer engeren Abstimmung und sektorübergreifenden Verzahnung der Planungsprozesse über die Grenzen der Sektoren von Strom, Wasserstoff und Wärme hinweg in Bezug auf die zusätzlich benötigten Speicher-, Erzeugungs-, Übertragungs- und Verteilungsinfrastrukturen.

Gelingen wird dies durch die Verknüpfung von Netzentwicklungsplänen für Strom und Gas/ Wasserstoff sowie der Speicher- und Kraftwerksstrategien des Bundes und der vielfach schon in Erstellung befindlichen kommunalen Wärmepläne. Bei der Sektorenkopplung anfallende Wärme sollte im Sinne effizienter Energieversorgung für den Wärmesektor genutzt werden. Die bei der Rückverstromung in Reservekraftwerken, Brennstoffzellen aber auch beim Betrieb von KWK-Anlagen mit nachhaltigen Brennstoffen anfallende Wärme sollte in Wärmenetze mit Wärmespeichern abgeben werden. Bei einem entsprechenden Anschluss an ein Wärmenetz kann eine Rückverstromungsanlage gleichzeitig Reserven für das jeweilige Wärmenetz bereitstellen, was im Sinne volkswirtschaftlicher Effizienz Investitionsbedarfe minimieren kann.

Darüber hinaus muss die vorhandene Energieinfrastruktur durch eine intelligente Steuerung aller relevanten Akteure des Energiesystems mithilfe von Smart Grid-Technologien sowie durch eine bessere Auslastung von Komponenten wie Netzverknüpfungspunkten, effizienter genutzt werden. Beispielsweise indem Lasten verschoben und dadurch Lastspitzen geglättet werden. Die netzdienliche Entwicklung von Gewerbe- und Industrieansiedlung, ist ein existenzieller Bestandteil zur Sicherung unserer Wirtschaftskraft und dem effizienten Umgang mit Netzausbauressourcen. Dort wo anlandende oder vor Ort gewonnene erneuerbare Energie für Produktion eingesetzt wird, muss kein Netz ausgebaut werden. Die Bereitstellung von diesen Flächen ist aber auch Garant dafür, dass Unternehmen ihren Standort nicht im Ausland wählen, wenn dort zeitnaher Kapazitäten bereitstehen und ebenso, dass diese Unternehmen mit erneuerbarer emissionsarmer Energie produzieren. Auf diese Weise können auch Netzausbaukosten reduziert und Verbraucherinnen, Verbraucher sowie Unternehmen entlastet werden.

Den vielfältigen Aufgaben aus dieser Entwicklung hat sich unsere Landesregierung angenommen und schafft die notwendigen rechtlichen, regulatorischen und administrativen Rahmenbedingungen und arbeitet weiter an einem effizienten Vorgehen zur Umsetzung der Energiewende und zur Erreichung der Klimaneutralität.

Mit der Stromspeicherstrategie des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz wurde auf Bundesebene eine Grundlage für die Weiterentwicklung auf Landesebene geschaffen,

Vor diesem Hintergrund begrüßt der Landtag, die Schaffung von zielgerichteten Anreizen, wie zeitvariable Netzentgelte für die Integration und eine netz- und systemdienliche Nutzung steuerbarer Verbrauchsgeräte auf Niederspannungsebene durch die Bundesnetzagentur.

 

Der Landtag bittet die Landesregierung, sich auf Bundesebene dafür einzusetzen,

  1. dass der Netzausbau weiterhin mit Priorität vorangetrieben wird, eine integrierte Netzentwicklungsplanung für Strom- und Wasserstoff-Netze noch intensiver erfolgt und die kommunalen Wärmepläne der Kommunen in der Netzausbauplanung ausreichend berücksichtigt werden,
  2. dass um Netzengpässe und hohe Redispatch-Kosten zu reduzieren sowie Synergien mit den Erfordernissen der Wärmewende zu heben, der Aufbau von Elektrolyseuren an geeigneten Standorten angereizt wird,
    1. die zur Netzentlastung in Zeiten von Überspeisung beitragen,
    2. die prioritär an vorhandenen Netzverknüpfungspunkten einen effizienten Einsatz ermöglichen oder
    3. an denen eine Nutzung der anfallenden Abwärme realisierbar ist,
    4. an denen ausreichend Wasserressourcen zur Verfügung stehen
  3. dass Anreize zum Aufbau von Langfristspeicherkapazität in Form von Untertagespeichern für Wasserstoff gestärkt werden,
  4. dass die Stromspeicherstrategie des Bundes unter Einbeziehung der Länder konkretisiert und fortgeführt wird, um insbesondere eine netzdienliche regionale Verortung von Großbatteriespeichern zu ermöglichen,
  5. dass Anreize gestärkt werden, erzeugungsnahe Strom- und Großbatteriespeicher, insbesondere in Regionen, Städten und Gemeinden mit einem hohen Ausbaugrad von EE-Anlagen, netz- und systemdienlich aufgebaut und eingesetzt werden, um so volkswirtschaftlich unnötigen Redispatch zu vermeiden und Netzausbaumaßnahmen zu reduzieren oder zeitlich flexibler agieren zu können,
  6. dass Stromspeicher zur Glättung der Einspeiseprofile von einzelnen EE-Anlagen privilegiert im Außenbereich errichtet werden dürfen, sofern sie zu einem stabilen und sicheren Netzbetrieb beitragen,
  7. zu prüfen, inwiefern es ergänzender rechtlicher Änderungen bedarf, um die Verhältnisse zwischen den Betreibern der Anlagen zur Gewinnung und Speicherung erneuerbarer Energien und den Netzbetreibern regeln, beziehungsweise mit den beteiligten Akteuren einen Mustervertrag zu erarbeiten, der die bestehenden Möglichkeiten berücksichtigt.
  8. die Potenziale für netz- und systemdienliches Laden, insbesondere bidirektionales Laden, von E-Fahrzeugen sowie für einen netz- und systemdienlichen Betrieb von Wärmepumpen in Kombination mit Wärmespeichern durch entsprechende Anreize flächendeckend zu heben.

Des Weiteren bittet der Landtag die Landesregierung,

  1. die Genehmigungsverfahren von Speichern für elektrische Energie zu überprüfen und sich für eine Beschleunigung der Verfahren von systemdienlichen Vorhaben einzusetzen,
  2. vor dem Hintergrund der Bedeutung von Wasserstoff-Kernnetz-Projekten für das Gelingen der Energiewende im Rahmen der Projektgruppe Wasserstoff-Infrastruktur der Task Force Energiewende diese aktiv zu begleiten, um mögliche Hemmnisse in den Verfahren zu identifizieren und entsprechend aufzulösen,
  3. zu prüfen, welche weiteren Standorte neben Emden, Lingen und Wilhelmshaven in Niedersachsen für großtechnische Sektorenkopplungen geeignet sind und wie solche dieser gesichert werden können, deren Standort netzdienlich sowohl sinnvoll ist als auch eine hohe Systemeffizienz durch eine nutzbare Wärmeauskopplung erreicht werden kann und hierbei  unter anderem auch zu prüfen, ob und ggf. wie entsprechend geeignete bestehende Kraftwerksstandorte auch für die Zeit nach deren Außerbetriebnahme für die Errichtung von Speichern und sonstigen Energiewandlungsanlagen gesichert werden können,
  4. überdies zu prüfen, welche bestehenden Standorte von Kraftwerken und Netzverknüpfungspunkten für den Aufbau von Wasserstoffkraftwerken, großtechnischen Batteriespeichern oder flexiblen Lasten geeignet sind und ob und ggf. wie diese entsprechend gesichert werden können,
  5. Unterstützungsmöglichkeiten für den kommunalen Betrieb von Netzen, Anlagen zur Gewinnung von erneuerbarer Energie sowie Energie-Speichern zu prüfen,
  6. gemeinsam mit der Industrie Prozesse zu identifizieren, welche zur Dekarbonisierung zwingend Prozesswasserstoff benötigen, sowie
  7. zu prüfen wie die Umrüstung der Industriebetriebe, die zur Dekarbonisierung zwingend auf Wasserstoff angewiesen sind, aber absehbar keinen Wasserstoffnetzanschluss erhalten werden, beispielsweise durch Förderung dezentraler Elektrolyseure in Industrieanwendungen, welche zusätzlich eine Lastenverschiebung ermöglichen, unterstützt werden können.

 

Begründung

Niedersachsen ist Energieland Nr. 1. Im Jahr 2023 hat Niedersachsen erstmals mehr Strom aus Wind, Sonne, Biomasse und Wasserkraft produziert als verbraucht und damit den Gesamtstrombedarf bilanziell komplett aus erneuerbaren Energien gedeckt. Dem enormen dezentralen Zubau an erneuerbaren Energien folgt ein dringender Bedarf an einem schnellen und effizienten Netzausbau, der Aussteuerung von Gestehung zu Verbrauch mittels intelligenter Smart Grid Technologie, sowie einem zügigen Anschluss neuer EE-Anlagen an das bestehende Stromnetz.

Entsprechend der Planungen des Wasserstoff-Kernnetzes wird der Großteil der Wasserstoff-Import-Leitungen ebenfalls in Niedersachsen anlanden. Daher ist es für Niedersachsen von besonderer Bedeutung, sich auf der Bundesebene im Sinne eines durchdachten Gesamtkonzepts und einer hohen Systemeffizienz einzusetzen. Dies ist auch im Sinne eines sparsamen Umgangs mit Ressourcen und öffentlichen Mitteln notwendig.

Die Flexibilisierung der Nachfrage spielt eine ebenso entscheidende Rolle. Hemmnisse in diesem Bereich müssen weiter abgebaut werden, um die Energiewende effizienter zu gestalten. Die Transformationsziele auf der Verbrauchsseite stellen eine notwendige Voraussetzung für die Erreichung der Klimaschutzziele dar. Die Wärme- und die Mobilitätswende werden nur mit einer weitgehenden Elektrifizierung gelingen. Dabei wird nicht nur die entsprechend benötigte Ladeinfrastruktur für E-Mobilität und die zusätzliche Anschlussleistung für Wärmepumpen in den Ebenen der Stromverteilnetze realisiert, auch die vielen neuen EE-Erzeugungsanlagen an Land werden nahezu ausschließlich auf der Verteilnetzebene angeschlossen werden. Die Möglichkeit, Stromspeicher zur Glättung der Einspeiseprofile von einzelnen Anlagen zu nutzen und diese im Außenbereich privilegiert zu errichten, sollte gestärkt werden.

Ein weiteres Mittel der Systemeffizienz ist die Nutzung von Synergien zwischen den Sektoren. Wasserstoffkraftwerke werden zur Überbrückung von Dunkelflauten auch in einem erneuerbaren Stromsystem benötigt. Ebenso benötigen Fernwärmenetze Reservekapazitäten für besondere Wetterlagen. Werden die Wasserstoff-Reservekraftwerke an entsprechenden Standorten mit Fernwärmeanbindung errichtet, können sie beiden Sektoren dienen und sorgen so für eine hohe Systemeffizienz. Die Kraftwerksstrategie des Bundes sollte daher mit kommunalen Wärmeplanungen verknüpft werden. Standorte von bestehenden Kraftwerken, die über keine Möglichkeit der Wärmenutzung verfügen, sollten nur für Anwendungen weitergenutzt werden, bei denen nur geringe Umwandlungsverluste anfallen wie beispielsweise Batteriespeichern.

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