Marie Kollenrott: Rede zu den Haushaltsberatungen 2022/2023 – Schwerpunkt Inneres und Sport

- Es gilt das gesprochene Wort -

Sehr geehrte Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Damen und Herren,

seit Kurzem bin ich Teil dieses hohen Hauses und des Innenausschusses. Somit ist es für mich heute eine Premiere zum Haushalt sprechen zu dürfen und einige Punkte zu Gehör zu bringen.

Erst einmal gilt mein Dank den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Innenministeriums - die Haushaltszeit ist anstrengend und mit wichtigen, manchmal aber auch sehr kleinteiligen Debatten garniert. Und immer kommt es auf das Komma an. Egal ob Koalition oder Opposition, wir alle wissen, einen Zweijahreshaushalt aufzustellen ist ein nicht zu unterschätzender Kraftakt für jedes Ressort.

Danken möchte ich auch den Kolleginnen und Kollegen im Ausschuss, die mich herzlich aufgenommen haben und mir direkt mit Rat und Tat zur Seite standen. Eine freundliche Atmosphäre erleichtert erheblich das Ankommen. Danke!

Jetzt zu den Inhalten:

Die Berichterstattung ist wahrscheinlich an keinem von uns in letzter Zeit vorbeigegangen, Herr Birkner hat es vorhin auch schon gesagt: etliche Polizeidienststellen in unserem Land sind marode und man muss es so sagen - unzumutbare Arbeitsplätze.

Auch wenn das Problem nicht erst seit gestern bekannt ist, wurde in den letzten Jahren hier zu wenig getan. Und wenn man saniert, dann bitte nicht mit einer Maurerkelle hier und da, sondern planvoll. Die öffentliche Hand muss beispielhaft vorangehen und energetisch sanieren. Auf jedes Dach muss jetzt Photovoltaik, am besten schon gestern. Und ja, das kostet Geld - hier muss investiert werden.

Nur leider sehe ich trotz bereitstehender Gelder keine wesentliche Verbesserung der Situation. Was ja nur zwei Rückschlüsse zulässt: entweder, die Gelder reichen nicht aus oder das Thema wird nicht systematisch genug angegangen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, beide Antworten sind nicht gerade beruhigend.

Auch im Bereich der Cyberkriminalität fehlt im Haushalt eine erkennbare Priorisierung. Die Fallzahlen und die Schwere bzw. der Umfang der Taten bei der Internetkriminalität steigen seit Jahren an, insbesondere im Bereich der Kinderpornografie. Und durch die Pandemie wird die Situation für Kinder, die Opfer von sexualisierter Gewalt werden, noch erheblich verschlimmert, weil etwa gesellschaftliche Kontrollmechanismen im Rahmen von Kindergarten- und Schulbesuchen nicht wie üblich greifen. Um hier reagieren zu können, muss das Innenministerium die Personalstruktur entsprechend gestalten. Das bedeutet, wir brauchen endlich eine Anwerbungsoffensive für Fachpersonal im Bereich Cyberkriminalität, die ihren Namen auch verdient. Das Land muss sich hier endlich den Realitäten des Arbeitsmarktes stellen und attraktive Jobs schaffen, die eine echte Alternative zur freien Wirtschaft darstellen. Liebe Landesregierung, ein wenig Arbeitszeitflexbilisierung wird nicht reichen, um mit unseren Sicherheitsbehörden im 21. Jahrhundert anzukommen!

Zu modernen, rechtsstaatlichen Sicherheitsbehörden gehört auch, dass sie sich selbstkritisch mit rechtsextremen oder rassistischen Tendenzen und Vorfällen in den eigenen Reihen auseinandersetzen. Beispielhaft zu nennen ist der mehr zufällige Fund rechtsextremer Chats aus dem vergangenen Dezember bei Beamten aus dem Emsland und der Grafschaft Bentheim. Rechtsextremismus ist die größte Gefahr für unsere Demokratie und jeder Verdacht rechtsextremer Tendenzen bei unseren Sicherheitsbehörden untergräbt ihre Glaubhaftigkeit, ihre Legitimation und das Vertrauen in den Rechtsstaat.

Zwar hat Innenminister Pistorius nach massivem Druck aus der Zivilgesellschaft und der Opposition im vergangenen Jahr eine Studie zur alltäglichen Arbeit der Polizei in Auftrag gegeben, in der untersucht werden soll, inwieweit Racial Profiling in der täglichen Polizeiarbeit Anwendung findet. Allerdings wird dabei die Frage völlig ausgeblendet, wann und unter welchen strukturellen Bedingungen bei Polizeibeamt*innen rechtsextreme Einstellungsmuster entstehen. Und genau dieses Wissen ist doch die Grundlage, um rechte Tendenzen frühzeitig zu erkennen und solchen Entwicklungen aktiv vorzubeugen.

Wir Grüne haben deshalb in diesem Jahr wieder 100.000€ im Haushalt für eine Studie zu Rechtsextremismus und Polizeiarbeit vorgesehen, die sich genau dem widmet. So wie es unter anderem auch der Bund Deutscher Kriminalbeamter fordert!

Und nein, liebe SPD und CDU Fraktion, das ist kein Generalverdacht gegenüber der Großzahl an Beamt*innen, die felsenfest mit beiden Beinen auf dem Boden der Demokratie stehen. Vielmehr schützen wir mit einer solchen Studie diejenigen, die tagtäglich im Dienst unsere Demokratie verteidigen.

Und das, liebe Kolleginnen und Kollegen, muss sich auch im Haushalt widerspiegeln!

Positiv hervorheben möchte ich, dass Sie die Polizeianwärter*innenstellen im Haushalt erhalten haben, wenn auch erst nach vehementer Öffentlichkeitsarbeit der Polizeigewerkschaften und deutlichem Protest aus der Opposition. Wir brauchen eine personalstarke, gut ausgebildete und sinnvoll ausgerüstete Polizei – immerhin da sind wir uns weitgehend einig.

Lassen Sie mich zuletzt noch etwas zum Katastrophenschutz sagen: Seit dem vergangenen Sommer ist der Katastrophenschutz wieder in aller Munde. Deutschland hat gemerkt, wie wichtig einsatzbereite, handlungsfähige, gut ausgerüstete Hilfsorganisationen und auch die rechtzeitige Warnung vor drohenden Gefahren, wie etwa einem bevorstehenden Hochwasser sind. Wir leben mit der Realität des drastisch voranschreitenden Klimawandels und seiner katastrophalen Folgen, auch in bis dahin weitgehend verschonten Regionen. Das erschüttert uns alle und hat letzthin manch eine Politikerin und Politiker wachgerüttelt.

Zudem hat der Bund die Beschaffung und Unterhaltung von Katastrophenschutz-Fahrzeugen neu geregelt. Das bisherige Bundeskonzept von 1995 sah für Niedersachsen ein Katastrophenschutz-Fahrzeugsoll von 882 vor. Nach dem neuen Konzept des Bundes ergibt sich für unser Bundesland nur noch ein rechnerisches Soll von 450 - 490 Fahrzeugen. Mit dieser geringen Zahl ist die Bekämpfung von Katastrophen landesweit nicht mehr zu gewährleisten. Zur Sicherung der Funktionsfähigkeit des Katastrophenschutzes in Niedersachsen und zur Aufrechterhaltung des ehrenamtlichen Engagements muss deutlich mehr getan werden als durch die Landesregierung im Haushalt vorgesehen ist.

Deshalb erneuern wir unsere immer wieder vorgetragene Forderung, die Katastrophenschutz-Hilfsorganisationen besser auszustatten. Sie benötigen dringend mehr Equipment und sollen dafür nach unserem Vorschlag zusätzlich zu dem Haushaltsplanentwurf der Landesregierung knapp 4,5 Mio. EUR aus dem Niedersachsen-Fonds erhalten. Auch der Landesbeirat Katastrophenschutz fordert das schon seit Jahren. Bereits seit 2018 weist er darauf hin, dass ein jährlicher Betrag von 6 Mio. EUR zur niedersachsenweiten Vereinheitlichung nötig ist. Die katastrophale Flut im Sommer diesen Jahres sollte Sie nun endlich zum Handeln bewegen, liebe Koalitionäre. Lassen Sie uns gemeinsam sicherstellen, dass Niedersachsen für zukünftige Naturkatastrophen besser gewappnet ist!

Zurück zum Pressearchiv