Marie Kollenrott: Rede zum Grüner-Wasserstoff-Standort Niedersachsen (Fragestunde GRÜNE)
TOP 35 - Grüner-Wasserstoff-Standort Niedersachsen - wie entwickelt sich die Infrastruktur? (Anfr. Grüne)
- Es gilt das gesprochene Wort -
Sehr geehrte Frau Präsidentin, werte Kolleg*innen, sehr geehrte Damen und Herren,
der heutige Austausch zeigt einmal mehr, wie entscheidend Niedersachsen in der Entwicklung einer nachhaltigen Wasserstoffwirtschaft ist. Niedersachsen hat das Potenzial, das Wasserstoffland Nummer eins zu werden. Mit 50 Prozent der Elektrolyseure, 40 Prozent des Wasserstoffkernnetzes und der Mehrheit der Wasserstoffspeicher, die hier errichtet werden, stehen wir aktuell im Zentrum der Wasserstoffrevolution in Deutschland.
Dennoch stehen wir erst am Anfang eines industrietechnologischen Paukenschlags in Niedersachsen. Nach den derzeitigen Leuchtturmprojekten müssen wir die Rahmenbedingungen für eine umfassende Transformation schaffen. Diese Transformation ist nicht nur zukunftsweisend, sie ist notwendig um wirtschaftlich wettbewerbsfähig zu bleiben. Wenn wir die Treibhausgasneutralität bis 2040 erreichen wollen, brauchen wir eben nicht nur grünen Strom, sondern auch grüne Moleküle – also grünen Wasserstoff.
Die Transformation der Energiewirtschaft hin zu einer klimaneutralen Zukunft bedeutet Arbeitsplätze, wirtschaftliche Stabilität und die Schaffung neuer Industriezweige. Wir werden das nachher in Bezug auf die Glasindustrie beispielhaft diskutieren, aber natürlich betrifft die Wasserstoffplanung zahlreiche Industriezweige und ist daher zentral. Dabei ist es für die wirtschaftlichen Entwicklungsmöglichkeiten der Betriebe entscheidend, einen Wasserstoffanschluss in Aussicht zu haben. Mit Umwelt- und Wirtschaftsministerium kämpfen wir weiter dafür, dass alle Regionen in Niedersachsen so schnell wie möglich von dieser Entwicklung profitieren können. Gebetsmühlenartig wiederhole ich daher: wir können uns zum Schutze von Wirtschaftskraft und letztlich Demokratie - keine abgehängten Räume leisten!
Mit Leuchttürmen wie in Emden, Lingen und Salzgitter zeigen wir, dass wir mit Hilfe des Bundes in Niedersachsen die Weichen für eine klimafreundliche Industrie stellen. Investitionen sowohl in Elektrolyseure als auch in Speicher- und Transportinfrastruktur sind ein fettes Ausrufezeichen hinter der Verantwortung die wir Energie- und Wirtschaftspolitisch in diesem Land übernehmen und auf die wir stolz sind.
Gestern wurde bei der Debatte um „Das Aus vom Verbrenner-Aus“ von konservativ bis ganz rechts außen mächtig geirrlichtert. Heute, wo es um Wasserstoff geht, erzählt uns bestimmt irgendwer Wasserstoff wäre der Weg, weiter „Was“ im eigenen Haus zu verbrennen. Aber wer beim Thema Heizung von Technologieoffenheit spricht, offenbart entweder seine unzureichenden Fachkenntnisse oder ist einfach populistisch unterwegs.
In der Fachwelt ist dagegen unumstritten, dass Wasserstoff lediglich dort eine Rolle spielen wird, wo Prozesse nicht ohne weiteres elektrisierbar sind.
Wasserstoff wird in der Beheizung von Gebäuden ausschließlich indirekt in Form von Fernwärme zum Einsatz kommen. Und wir alle müssen auch aufpassen, dass wir Menschen nicht aufs Glatteis führen, die mit dem Werbeslogan „Wasserstoff-Ready“ meinen, eine Anlage zu kaufen, die irgendwann auf reinen Wasserstoffbetrieb umgestellt werden wird. Das ist nach jetzigem Stand der Technik nicht der Fall, diese Anlagen vertragen maximal 20% Wasserstoffanteil – insofern sind sie „gerade jetzt“ leider kein Weg, der zur Klimaneutralität führt.
Mit 80-90 Prozent Wirkungsgrad sind diese Anlagen gegenüber der Effizienz von Wärmepumpen jenseits der 400 Prozent heute hoffnungslos unterlegen.
Funfact: Wärmepumpen – das ist diese hocheffiziente Technik, die Friedrich Merz im Rahmen der Debatte um das Heizungsgesetz der Bundesregierung erst verteufelt hat wie verrückt und jetzt doch ganz gut findet, wo er merkt es läuft. Nunja, manchmal ist man hinterher eben schlauer, wäre im Sinne der Verantwortungsnahme bloß gut, vorher nicht so ein populistisches Getöse zu veranstalten.
Zurück zum Thema: Umwandlungsverluste bei Elektrolyseuren und Spitzenlast-Wasserstoffkraftwerken fallen als Abwärme an. Wir können sie nutzen, um per Fernwärme unseren Wärmebedarf zu decken. Die Standorte von Elektrolyseuren und Wasserstoffkraftwerken sollten daher mit Blick auf die Einspeisemöglichkeit in Fernwärmenetze oder Wärmebedarfe benachbarter Industrie gewählt werden. Die Fragen nach der Kopplung von Wasserstoffproduktion mit dem Stromnetz und der Wärmewende sind zentral. Denn wir müssen sicherstellen, dass der Hochlauf der Wasserstoffproduktion nicht isoliert betrachtet wird, sondern im Kontext einer umfassenden Energiewende.
Abschließend möchte ich betonen: Niedersachsen hat die Chance, Vorreiter im Bereich der grünen Wasserstoffwirtschaft zu sein. Zielführende Weichen sind gestellt. Machen wir genau da weiter!